Gedanken zum Trauern mit Abstand
Tipps für den Traueralltag in Zeiten von Corona
Zugegeben, ich habe einige Tage überlegt, welche Gedanken ich in meinem ersten Blog mit dir teile. Soll ich oder soll ich nicht? Eigentlich ist doch schon so viel berichtet, analysiert und ausgiebig diskutiert worden. Die tägliche Statistik mit den aktuellen Zahlen springt uns bereits morgens, schwarz auf weiß, in der aktuellen Ausgabe der Tageszeitung oder auf t-online entgegen.
Unzählige Politiker und Wissenschaftler arbeiten Tag und Nacht daran, uns möglichst wohlbehalten durch diese Pandemie zu bringen. Eigentlich ist doch alles zu diesem Thema bereits gesagt. Niemand mag das Wort Corona mehr hören, und wir freuen uns auf die Zeit, wenn Corona lediglich ein Teil unserer Geschichte sein wird.
Und so war ich mir bewusst darüber, dass gerade dieses Thema suboptimal ist, um Leser für einen neuen Block zu gewinnen. Deshalb hatte ich mir bereits eine Thematik überlegt, die möglichst viele Trauernde interessiert, und womit ich möglichst wenig anecken kann.
Bis mir vor 2 Tagen bei einem Spaziergang an der Nordsee ein Pärchen auffiel. Die beiden standen eng umschlungen an der Wasserkante und blickten aufs Meer. Im Vorübergehen nahm ich wahr, dass der Frau Tränen übers Gesicht liefen und ein kleiner Blumenstrauß neben ihr auf den Steinen lag. Zwei Menschen, die traurig einem Bestattungsschiff nachsehen.
Trauer in Zeiten von Corona – ab diesem Moment war mir klar, welche Gedanken ich mit dir teilen möchte. Nein, ich beschwer mich jetzt weder über Regeln und Einschränkungen, noch gehöre ich zur Schar derer, die Corona verleugnen.
Ich möchte in meinem ersten Beitrag denen, die an und während der Corona-Zeit verstorben sind, sowie ihren Angehörigen und Freunden gedenken. Es ist mir ein Bedürfnis, ihnen allen, und wenn du betroffen bist, auch dir, meine ersten Gedanken in der Öffentlichkeit zu schenken.
Das Stille Leid hinter dem Tod in Corona-Zeiten
Hinter einer Zahl, die wir im täglichen als sachliche Statistik wahrnehmen, verbergen sich unzählige vollendete Leben, die unglaublich viele Trauernde hinterlassen. Während sich die Gesellschaft überwiegend mit den aktuellen Inzidenzwerten, Intensivbetten- und Impfstatistiken beschäftigt, wird die Zahl derer, die meiner Meinung nach in dieser Zeit das größte Leid zu tragen haben, in keiner Statistik erfasst oder genannt.
Falls du im vergangenen Jahr einen geliebten Menschen verloren hast, dann weißt du genau, was ich meine: Sterben mit Distanz, Abschied ohne tröstende Gemeinschaft, Abstand statt Umarmung, Tränen hinter Masken, und all dies wird jetzt zusätzlich erschwert, durch die Kontakteinschränkungen im Alltag.
Was du tun kannst
Sollte jemand in deinem Umfeld gerade jetzt von einem Verlust betroffen sein, möchte ich dich sensibilisieren, dass Trauernde sich zwar bereits vor Covid-19, in unserer auf Jugendlichkeit und Leistungsfähigkeit orientierten Gesellschaft, im Abseits befanden, aber nun doppelt isoliert sind.
Ich möchte euch allen bewusst machen, dass Corona derzeit das Leben der Trauernden massiv, weit über den Tod hinaus, bestimmt.
Aufgrund der Kontaktbeschränkungen vereinsamen die Menschen derzeit im Alltag.
Existenzielle Gemeinschaft, Gesprächsangebote in Trauergruppen oder Cafes finden nicht statt. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der Besuchsauflagen teilweise kein Abschied, oder wenn, dann nur in sehr eingeschränkter Form möglich ist. Trauerfeiern, können nur mit Distanz und unter belastenden Auflagen stattfinden. Das anschließende Ritual des Beisammenseins mit tröstlicher Nähe entfällt gänzlich.
Dies sind allerdings wichtige Momente, die das Unbegreifliche begreifbar machen, und einen heilsamen Trauerprozess in Bewegung setzen. Fehlender Abschied und Isolation greifen die trauernde Seele an und dafür wird es keinen Impfstoff geben. Nein, ich beschwere mich nicht über Einschränkungen und „social distancing“.
Ich denke gerade jetzt ist es endlich an der Zeit, darauf aufmerksam zu machen, dass wir bereits vor Jahren eine Art „Outsourcing“ mit Sterben, Tod und Trauer in unserer Mitte vollzogen haben.
Was ich dir noch mitgeben möchte
Meine Hoffnung ist, dass wir uns nicht weiter mit unserem Verstand auf die nüchternen Zahlen der Tagesstatistik fokussieren. Mein Appell, dass wir jetzt besonders achtsam auf jeden Trauernden in unserem Umfeld schauen, um dem Einzelnen das Gefühl der Einsamkeit etwas zu nehmen. Damit sie gerade in diesen besonders schweren Zeiten mehr Miteinander und Verständnis erfahren.
Falls durch meine Zeilen, nur einem Trauernden das Gefühl des Alleinseins genommen wird, habe ich mich gern zu diesem unliebsamen Virus geäußert.
Wir können uns über die Abstandsregeln der Pandemie nicht hinweg setzen, aber wir haben jetzt die Möglichkeit, unseren persönlichen und auch den gesellschaftlichen Abstand, in Bezug auf den Tod und die Trauernden zu überdenken, und nicht erst nach Corona, wieder aufzuheben.
Ok, ich denke es reicht jetzt zu dem Thema. Ich zieh meinen „Schnutenpulli“ wieder an, gehe in den Hafen und mache dort einige Fotos vom Bestattungsschiff.
Vielleicht interessiert es dich etwas über die Beisetzungsfahrten ab Büsum zu erfahren? Dann schreib mir gern und ich berichte im Blog darüber.
Auch mit Abstand sende ich dir herzliche Grüße vom Meer
deine Petra
Erste Hilfe
- Wenn du gerade in dieser herausfordernden Zeit einen lieben Menschen verloren hast, können diese ersten Hinweise bereits hilfreich sein:
- Soziale Kontakte über Medien wie Telefon, SMS, WhatsApp, Skype, Facetime sind jetzt besonders wichtig. Eine tägliche Verabredung zu einer festen Uhrzeit, wenn auch nur für einige Minuten, ist hilfreich
- Soziale Netzwerke oder Trauerforen können als Plattform zum Austausch von Gefühlen und Erfahrungen dienen. Einige örtliche Trauergruppen bieten vorübergehend im digitalen Raum Gespräche an, auch vor dem Bildschirm kann man gemeinsam eine Tasse Kaffee trinken
- Für Krisenzeiten, in denen die Trauer übermächtig wird, eine Notfallnummer von einer nahestehenden Person, alternativ der Telefonseelsorge bereit legen
- Tagesroutinen einplanen. Besonders wichtig sind regelmäßige Mahlzeiten und auf ausreichend Flüssigkeit zu achten (App, oder Trink Alarm nutzen)
- Um Hilfe bitten ist jetzt ausdrücklich erwünscht! Wenn im Alltag die Kraft zum Einkaufen, Kochen oder den Garten fehlt, freuen sich Angehörige oder Freunde, wenn sie gebraucht werden und etwas tun dürfen
- Gefühle annehmen und Tränen fließen lassen. Falls eine Trauerwelle nicht enden will: Bequem hinsetzten, Füße fest auf den Boden stellen, die Zehen bewegen und einige Minuten tief und ganz bewusst ein- und ausatmen, danach ein Glas Wasser trinken
Manchmal hilft auch eine Bachblütenmischung - Ein kleines tägliches Ritual zu einer bestimmten Tageszeit, z.B. eine Kerze anzünden und dabei Foto des geliebten Menschen betrachten, kann der Trauer einen Rahmen geben
- Für nächtliches Grübeln ein schönes Buch auf den Nachtschrank bereit legen. Ebenso gibt es auch beruhigende Musik oder Meditationen, die sich gut dafür eignen, das Gedankenkarussell zu stoppen.
- Möglichst oft, wenn auch nur für einige Minuten, in die Natur gehen. Ob im Wald, am Wasser oder im Park, ein Spaziergang tut bei jedem Wetter gut und ist auch zu zweit möglich
- Gedanken und Gefühle täglich, ohne groß darüber nachzudenken, in ein schönes Buch schreiben. Auch malen, singen oder musizieren tun jetzt gut.
- Wenn die Beisetzung nicht den Vorstellungen des Verstorbenen oder den eigenen Wünschen entsprach, ein gemeinsames schönes Abschiedsritual fehlt, kann das letzte Fest nachgeholt werden, z.B. am Geburtstag oder Todestag des Verstorbenen
- Nachrichtenkonsum im TV, Radio und den sozialen Medien einschränken. In Trauerzeiten sind wir oft verunsichert und ängstlich. Negative Informationen belasten zusätzlich
Es wäre schön, wenn dieses wichtige Thema mehr Aufmerksamkeit erhält!
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